PM: Keine Nachteile heißt keine Nachteile! - Zu den Präsenzprüfungen an der Universität Osnabrück

Trotz der Umstellung vieler Prüfungen auf Online-Formate gibt es weiterhin Präsenzprüfungen an der Universität Osnabrück. Die dadurch entstehenden Schwierigkeiten organisatorischer und gesundheitlicher Art stellen viele Studierende vor Herausforderungen. Wer nicht an den Präsenzklausuren teilnehmen kann oder möchte, hat nur wenige Möglichkeiten, die zudem kaum als "nicht nachteilsbehaftet" angesehen werden können. Dazu kommt in manchen Fällen eine herablassende oder unrealistische Antwort der Lehrenden auf die Sorgen der Studierenden, die ohnehin schon verunsichert sind. Es fehlt an klarer Kommunikation durch die Universitätsleitung über Regeln, Vorgehen und Begründungen zu Präsenzklausuren und das Anbieten von echten Alternativen, die keine Studienzeitverlängerung bedeuten.
 
Je näher die Prüfungsphase an der Universität Osnabrück rückte, desto mehr Studierende meldeten sich bei uns, um ihre Sorgen oder Beschwerden bezüglich der Prüfungen an uns heran zu tragen. Insbesondere die insgesamt knapp 40 Präsenzprüfungen (und die damit über 4800 einzelne Prüfungsfälle, die in Präsenz stattfinden) stechen dabei als omnipräsentes Thema heraus. Präsenzprüfungen bergen, trotz Hygiene-Konzepten, immer ein gewisses Infektionsrisiko, insbesondere weil die Studierenden dafür oftmals auch den öffentlichen Nah- und Fernverkehr zur Anreise nutzen müssen (1). 
 
Seit Beginn der Pandemie wurde seitens der Universitätsleitung bekundet, dass Studierende in der aktuellen Situation keine Nachteile erfahren sollen, insbesondere dann nicht, wenn sie am Lehrbetrieb nicht in Präsenz teilnehmen möchten oder können. In der Praxis sieht das aktuell anders aus: Zum einen gibt es einige Dozierende, welche die Bedenken der Studierenden an einer Präsenzprüfung teilzunehmen herunterspielen oder ignorieren.  Auch wenn ein solches Verhalten aktuell nicht die Regel darstellt, ist es auch kein Einzelfall und muss Konsequenzen haben. Zum anderen sollen Präsenzprüfungen eigentlich zum jetzigen Zustand nur stattfinden, wenn sie anders nicht durchzuführen sind bspw. im Falle von Prüfungen bei denen Laboraufbauten verwendet werden müssen. Nun gibt es jedoch einige Präsenzprüfungen, die unseres Kenntnisstandes nach nur stattfinden, weil die Dozierenden persönlich schlechte Erfahrungen mit Online-Prüfungen gemacht haben, ein erleichtertes Täuschen vermuten oder technische Probleme hatten. Teilweise scheint hier die Überzeugung vorzuliegen, durch eine Online-Klausur leichtere Verhältnisse zu schaffen - eine "Corona-Gnadenklausur", wie es ein Dozent ausdrückt - das wollte man unter allen Umständen vermeiden. Das macht es in unseren Augen in keinster Weise notwendig eine Präsenzprüfung abzuhalten, auch noch ohne Prüfungsalternative. Auch auf Nachfrage wird in der Regel dabei keine Auskunft über die Gründe für die Präsenzklausur gegeben; lediglich die Aussage interne Prozesse würden nicht per Mail diskutiert. Auf ein Angebot einer Fachschaft für ein persönliches Gespräch wurde allerdings beispielsweise auch nicht eingegangen.
 
Auch die Universitätsleitung muss hier klarere Vorgaben geben, gegenüber den Studierenden eindeutiger und direkter kommunizieren und sich an die eigenen Versprechen halten. Keine Nachteile für Studierende bedeutet auch keine Nachteile! Die aktuelle Regelung bei Studierenden, welche eine Präsenzprüfung nicht mitschreiben wollen oder können sieht jedoch lediglich vor, dass diese die Prüfung zum Zweittermin im April, ebenfalls in Präsenz, nachholen können. So schieben manche Studierende bereits seit dem Sommersemester 2020 ihre Klausuren, da sie diese nicht unter riskanten Bedingungen schreiben möchten oder können. Dies ist alleine schon deshalb keine Lösung, da momentan nicht davon auszugehen ist, dass die Infektionszahlen im April derart sinken, dass dies eine wirkliche Alternative darstellt, insbesondere in Anbetracht der Mutationen des Corona-Virus. In jedem Fall ist keine verlässliche Zusage dazu möglich, wann eine Präsenzprüfung sicher abgelegt werden kann. Abhängig davon, wie oft die zur Prüfung zugehörige Veranstaltung angeboten wird, sind Studierende außerdem ggf. gezwungen, an Präsenzprüfungen teilzunehmen, um eine ungewollte Verlängerung des Studiums zu verhindern. Hier gibt es zwar die Regelung, dass in diesen Fällen Alternativen angeboten werden müssen, jedoch nur wenn der Abschluss unmittelbar bevor steht. Eine Studienzeitverlängerung ist demnach nur für Studierende nachzuweisen, wenn sie sich im letzten Semester ihres Studiums befinden und lediglich noch ein paar Prüfungen ablegen müssen, oder wenn bspw. das Referendariat nicht pünktlich angetreten werden könnte. Tatsächlich kann aber auch bereits die Nicht-Teilnahme am Anfang des Studiums eine Verlängerung nach sich ziehen, bspw. wenn gewisse Veranstaltungen lediglich alle zwei Semester angeboten werden und das Bestehen der Veranstaltung Teilnahmevoraussetzung für andere Pflichtkurse ist. Solche, vielleicht nicht im ersten Moment offensichtlichen, Studienverlängerungen können und werden auch Probleme in der Studienfinanzierung nach sich ziehen und sind nicht durch das bisher gewährte "Corona-Semester" auszugleichen. Studierende, welche auf BAföG angewiesen sind, können womöglich die für die Auszahlung notwendigen Leistungsnachweise nicht fristgerecht einreichen; auch werden sie nach Ende der Regelstudienzeit nicht mehr BAföG berechtigt sein und die entstandenen Studienverlängerungen anders finanzieren müssen. Ähnliches gilt für Langzeitstudiengebühren: Studierende, bei denen es später zur Verlängerung des Studiums durch die jetzige Situation kommt, können dies später praktisch kaum nachweisen und müssen so ggf. später Langzeitstudiengebühren zahlen. 
 
Aber auch die zeitliche Verzögerung für sich genommen ist ein Nachteil: die späteren Prüfungstermine im April werden ins reguläre Semester fallen, was wiederum dazu führt, dass ggf. weniger Kurse besucht werden, oder diese durch die Mehrbelastung schlechter abgeschlossen werden. Dieses Problem wird insbesondere auch dadurch verschärft, dass der Arbeitsaufwand in den einzelnen digitalen Lehrveranstaltungen merklich höher ausfällt als im regulären Lehrbetrieb (2). In Studiengängen wie Rechtswissenschaften gibt es zudem Zwischenprüfungen, die nicht aufgeschoben werden können, "nur" weil man sich nicht dem Risiko einer Präsenzklausur aussetzen möchte.
 
Die Universität baut in dieser Situation, wie bereits mit so vielen anderen Problemen während der Pandemie, auf Einzelfalllösungen. Wer beispielsweise selbst zu einer Risikogruppe gehört, muss sich also mit Studiendekan*innen und/oder Dozierenden auseinandersetzen oder über das Gleichstellungsbüro einen Nachteilsausgleich beantragen, um eine Alternative zur Präsenzklausur angeboten zu bekommen. Dies ist zum Einen deswegen problematisch, weil die Dozierenden sich in ihrem Verständnis für die aktuelle studentische Situation stark unterscheiden und Studierende aufgrund der vorherrschenden Machthierarchien oftmals keinen Konflikt mit ihren Dozierenden riskieren möchten. Andererseits ist auch die mangelhafte Kommunikation dieser Regelungen ein großes Problem. So wurde auch die Möglichkeit, einen Nachteilsausgleich zu beantragen, nie klar an die Studierenden kommuniziert. Auch auf einen Newsletter der Universitätsleitung warten Studierende vor und in dieser Prüfungsphase vergebens. Das Präsidium setzt auf eine dezentrale Information der Studierenden durch die Dekanate - dies scheint, nach den Anfragen die den AStA regelmäßig erreichen, allerdings in vielen Fällen nicht (ausreichend) zu funktionieren. 
 
Wenn Studierende in einer Pandemie nicht an Präsenzprüfungen teilnehmen möchten oder können, muss es zeitnah alternative Prüfungsformate geben. Regelungen dafür müssen universitätsweit gelten, sodass Studierende nicht auf Verständnis einzelner Dozierende angewiesen sind, und klar an die Studierenden kommuniziert werden.
 
Bei begründbar unvermeidlichen Präsenzprüfungen sind FFP2 Masken zu stellen und nach Möglichkeit auch Schnelltests durchzuführen.
 
Keine Nachteile heißt Keine Nachteile!
 
An dieser Stelle sei auch nochmal auf das Statement von dem freien zusammenschluss von student*innenschaften (fzs) und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zu Prüfungen hingewiesen: 
 
 
(1) Während das Hygienekonzept der Universität das Hygienekonzept das Infektionsrisiko prinzipiell natürlich minimiert, kommt zu den Risiken während der Anreise noch das Risiko einer mangelhaften praktischen Umsetzungen des Hygienekonzepts hinzu.  So berichten Studierende vereinzelt auch von Fällen, in denen Abstände bei Klausuren nicht eingehalten wurden: zwischen den von einem Gang getrennten Sitzplätzen sei weniger als 1.5m Platz gewesen, zwischen anderen wieder viel mehr. Wegen der festen Platzzuweisung durften Studierende sich aber nicht weiter voneinander entfernt hinsetzen. Auch wenn das wohl eher die Ausnahme als die Regel sein wird, ist das Risiko einer solchen Ausnahme insbesondere für Menschen aus Risikogruppen nicht akzeptabel.
 
(2) Diese und andere Ergebnisse unserer zweiten Studierendenbefragung werden wir innerhalb der nächsten zwei Wochen veröffentlichen.