Burschis sind nicht empfehlenswert!

Wenn das WG-Zimmer 200€, aber auch deine Freiheit kostet!
 
Liebe*r Ersti, herzlich willkommen an der Universität Osnabrück. Sicherlich wirst auch du bereits mitbekommen haben, wie schwierig es ist, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Diesen Umstand machen sich auch Studentenverbindungen und Burschenschaften zunutze. Deshalb wollen wir euch über diese elitären und antifeministischen Strukturen in Osnabrück aufklären.
 
Ein Studium zu beginnen ist ohnehin schon keine einfache Angelegenheit – zu dem Stress bei der Bewerbung um einen Studienplatz und dem Ankommen in einer neuen Stadt kommt häufig noch dazu, dass eine neue Wohnung organisiert werden muss. Gerade als Ersti ist es besonders schwierig, da günstiger Wohnraum kaum zu finden ist und Plätze in Wohnheimen ohne lange Wartezeiten kaum existieren. Auch WG-Castings können unschön enden – sich gegen teilweise 50 Mitbewerber:innen durchzusetzen, die häufig schon WG-Erfahrung mitbringen, ist schwer. Und Wohnungen für eine WG-Neugründung gibt es auf dem strapazierten Wohnungsmarkt erst recht nicht.
Beinahe unrealistisch erscheinen in so einer Situation Anzeigen für Zimmer in alten Villen mit bester Lage, wie sie für Studierende sonst nie und nimmer zugänglich wären. Dazu noch eine eigene Bar und weitere nette Extras. Und das ganze für teilweise für 200€ Miete. Ein Träumchen – könnte man meinen.
Schaut mal genauer hin. Dann bemerkt ihr, dass diese Anzeigen auffällige Gemeinsamkeiten aufweisen: Welche normale WG besteht schon aus ausschließlich männlichen Mitbewohnern, die sich große Häuser mit weit mehr als der üblichen Zimmeranzahl für WGs teilen, und die auch nur für weitere männliche Mitbewohner zu begeistern sind? Dies ist ein relativ eindeutiges, wenn auch nicht sofort offensichtliches, Kennzeichen von studentischen Verbindungen. Aber wo ist das Problem?
Darauf wollen wir hier aufmerksam machen, unsere Kritik an ihnen darstellen und eine Warnung vor ihnen aussprechen.
Durch das Zusammenleben in einem Verbindungshaus soll etwas entstehen, was man als Neuankömmling vielleicht als gar nicht so schlecht empfindet: Eine Gemeinschaft, die erst einmal das Gefühl von Geborgenheit, von Zusammenhalt und Anschluss suggerieren soll.
 
Lebensbund & Verbindungsleben
Den Grundstein für diese Gemeinschaft bildet das Lebensbundprinzip. Dadurch soll das Bestehen der Verbindung gesichert werden: Als Mitglied verpflichtet man sich zu lebenslanger Zugehörigkeit und Treue zur jeweiligen Verbindung. Nach dem Studium wird aus dem Mitglied, das bis dato nur von der Verbindung profitiert hat, ein sogenannter „Alter Herr“, der verpflichtet ist, Verbindungshaus und Verbindungsleben der jüngeren Mitglieder zu finanzieren. Auch das Verbindungsleben selbst ist starr reglementiert durch das Comment, einen Kodex, der Verhaltensregeln vorschreibt. Darunter zählt bspw. die regelmäßige Teilnahme an gemeinschaftsinternen Veranstaltungen, wie gemeinsamer Tanzunterricht, Unterweisungen in der Geschichte der Verbindungen, gemeinsames Essen und Abende in der hauseigenen Kneipe. Damit ist keineswegs ein entspanntes Beisammensein gemeint – stattdessen herrscht hier Trinkzwang und der Druck, einander zu beweisen, wer mehr und schneller in sich hineinkippen kann. Das Bier-Comment wird hier von einem eigenen Präsidium durchgesetzt, was strenge Strafen für schwächere Verbindungsmitglieder vorsieht und Willkür ermöglicht. Dabei sind Demütigung und Unterordnung an der Tagesordnung.
 
Veraltetes Weltbild
Wohlgemerkt herrscht in den Verbindungen oftmals ein Männerbild vor, was den Geschlechterrollenvorstellungen von vor 150 Jahren entspricht. Die Ansicht, dass es ausschließlich zwei Geschlechter gäbe, die von Natur aus grundverschieden seien, ist eine der Grundannahmen. Frauen wird dabei kaum mehr Kompetenz als die für ein Leben als Mutter und Hausfrau zugeschrieben. Hier geht es also nicht um leicht antiquierte, gentlemanlike anmutende Ideen von Männern und Frauen; es geht dabei um die entschiedene Leugnung von den Grundpfeilern einer demokratischen Gesellschaft, die auf Gleichberechtigung und Gleichstellung aufgebaut ist. Hinzu kommen auch Antisemitismus, Nationalismus und Rassismus, wie sie seit dem späten neunzehnten Jahrhundert in den Verbindungen vertreten sind.
 
In Osnabrück
Unter den Osnabrücker Verbindungen sticht vor allem die Burschenschaft Arkadia-Mittweida in der Herderstraße 45 heraus. So bezeichnen Sie sich selbst als "Safespace für Freidenker", weiter wird von den Mitgliedern erwartet, dass sie "[...] sich nicht mit dem gemein zu machen, was den geringsten Widerstand bietet." Uns als AStA ist die Arkadia bisher als beliebter Rückzugs- und Veranstaltungsraum für radikale Rechte in Osnabrück aufgefallen.
Beim gemeinsamen Gesangsabend kann es in der Herderstraße schon mal vorkommen, dass inbrünstig das Horst-Wessel Lied (das Horst-Wessel-Lied ist ein politisches Lied, das zunächst (ab etwa 1929) ein Kampflied der SA war und etwas später zur Parteihymne der NSDAP avancierte)[1] gesungen wird. Beste Kontakte pflegt die Arkadia auch zur AfD Niedersachsen/Osnabrück und zur JA Niedersachsen. So unterstützten Mitglieder der Burschenschaft Arkadia-Mittweida nicht nur Wahlkampfstände der AfD im vergangen niedersächsischen Wahlkampf, sie stellen auch mit Leander Huber ein Vorstandsmitglied der Jungen Alternative Niedersachsen [2]. Dass das Haus der Arkadia die letzten Jahre durch Farbbomben verziert war und ist, wundert uns als AStA nur wenig. Die Nähe und Sympathien zum verschwörungsideologische Milleu [3] oder zur rechtsextremen Identiären Bewegung [4] makiert für uns als AStA vor allem eins: Ein Ort,  den es im Studium (und darüber hinaus) zu meiden gilt.
 
Statement
Hier ist nur ein kurzer Abriss zur Natur von Verbindungen möglich. Nicht alle Verbindungen zeichnen sich durch dieselben Einstellungen aus, aber sie herrschen eben doch sehr häufig vor. Es sollte hinreichend klar geworden sein, dass es sich bei Verbindungen in aller Regel um Männerbünde handelt, deren Existenz nicht mit einer bunten Gesellschaft, wie wir sie uns vorstellen, vereinbar ist. Wir lehnen diese Lebens- und Denkweise ab und setzten uns aktiv für eine progressive, moderne Gesellschaft ein, die Verbindungen einfach nicht braucht. Damit auch durch die Wohnungsnot in unseren Universitätsstädten niemand gezwungen ist, ein verlockend günstiges Angebot anzunehmen, setzen wir uns als AStA dafür ein, dass bestehender studentischer Wohnraum erhalten und eine bezahlbare Höhe gesichert werden. Mehr Wohnungen müssen dafür in öffentlicher Hand sein und dort bezahlbar gehalten werden. Attraktiver Wohnraum in kulturell ansprechenden Gegenden und in Uninähe darf kein Luxusgut sein. Echter gesellschaftlicher Zusammenhalt ist dafür erforderlich, aber eben keine reaktionäre Gemeinschaft”.
 
Liste der Studentenverbindungen in Osnabrück:
1. Landsmannschaft Marchia Berlin organisiert im „Coburger Convent der Landsmannschaften und Turnerschaften“ (CC) 
2. Burschenschaft Arkadia-Mittweida organisiert im Dachverband die Deutschen Buschschaften (DB)
3. W.K.St.V. Unitas Sugambria organisiert in Verband der Wissenschaftlichen Katholischen Studentenvereine Unitas (UV)
4. K.St.V. Semnonia Berlin organisiert in Kartellverband katholischer deutscher Studentenvereine (KV)
5. AV Widukind organisiert in Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV)
6. V.D.St. Osnabrück organisiert in Verband der Vereine Deutscher Studenten (VVDSt)
 
 
Anmerkungen: