8. März: Frauenkampftag!

Wir sind Mitunterzeichner*innen der Forderungen des Osnabrücker Frauenstreik Bündnisses/Netzwerk Care Revolution.
Studierende sorgen sich um irgendetwas? Vielleicht darum, dass genügend Bier in greifbarer Nähe steht oder dass sie mit Ach und Krach ihre Prüfungen bestehen. Sie sorgen sich um ihren Life-Style und ihre Selbstverwirklichung, um Weltreisen und Partyerlebnisse. 
 
Dieses Narrativ begegnet Studierenden nicht selten; aber die Realität ist eine bedeutend andere.  Sorgearbeit ist Arbeit von Studierenden, vor allem –  wie auch gesamtgesellschaftlich Arbeit von den Frauen* unter ihnen. Wir als AStA der Universität Osnabrück solidarisieren uns deshalb mit dem Frauenstreik-Bündnis Osnabrück. 
 
Wo genau findet sich solche Care-Arbeit im Leben von Studierenden und inwiefern ist der feministische Kampf um faire und gemeinschaftliche Sorgearbeit relevant für unsere Studierendenschaft? Um dem egoistischen Narrativ von Studierenden zu widersprechen, reicht schon ein einziger Blick auf das breite Angebot an Studiengängen, die Sorgearbeit lehren oder maßgeblich beinhalten. Allein an der Universität und Hochschule Osnabrück gibt es mehr als 14 Studiengänge, deren Inhalt maßgeblich von Sorgearbeit bestimmt wird. Dazu gehören an der Universität unter anderem die Lehramsstudiengänge und Erziehungswissenschaften, die sich vor allem mit Theorien der Pädagogik und Strukturen von organisierter Sorgearbeit, beispielsweise in Kindertagesstätten oder Kinder- und Jugendhilfe Einrichtungen, beschäftigen. Die von der Universität angebotenen Lehramtsstudiengänge der Gesundheits- und Pflegewisschaften und der Sozialpädagogik befähigen Studierende zudem zur Ausbildung von Pfleger*innen und Erzieher*innen an Berufschulen, die dann wiederum unmittelbare Sorgearbeit leisten. Das Studium der Psychologie und der Weiterbildungsstudiengang in der psychologischen Psychotheraphie bilden Studierende zur Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen und damit auch zur Sorgearbeit aus. An der Hochschule Osnabrück finden sich weitere Studiengänge der Sorgearbeit, beispielsweise die Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie, Hebammenwissenschaft, Pflege, Pflegemanagement und das Studium der Sozialen Arbeit.
 
Ein Lebensbereich, in dem geleistete Sorgearbeit von Studierenden meist noch weniger gesehen wird, ist die Sorgearbeit im privaten Bereich. Dazu zählt z. B. die Pflege von alten oder kranken Angehörigen, sei es Oma, Papa oder die Schwester. Wer Erfahung mit solch einer privaten Situation hat, kann verstehen, dass die Pflege von Angehörigen nicht nur physisch sondern auch psychisch belastend sein kann. Dazu kommt das auf Regelstudienzeit gequetschte und durchzuhastende Studium, das BAföG-Amt oder andere Kredite, welche auf Rückzahlung pochen, und die ohnehin schon extreme Pandemiesituation. Auch die private, häusliche Pflege von Angehörigen wird überwiegend von Frauen* übernommen [1] und führt nicht selten zu Brüchen und Pausen im beruflichen Lebenslauf und erhöht so das Risiko von Altersarmut. 
 
Studierende mit Kindern haben es auch schon ohne geschlossene Kitas nicht leicht, eine Betreuung für ihr Kind zu bekommen. Aber da kommt Corona und Online-Lehre doch grade richtig oder nicht?! Das mag für einige Menschen mit Sicherheit zutreffen, doch für viele Alleinerziehende und Familien ist die Mehrbelastung in der Coronapandemie erheblich. Kinderbetreuung, Homeoffice und Onlinevorlesung finden immer am selben Ort statt, vielleicht sogar im selben Raum. Eine Trennung von Privat- und Studienrendenleben ist kaum mehr möglich. Dazu kommt die anfallende Hausarbeit, die nicht darauf Rücksicht nimmt, dass grade Onlinelehre und Pandemie herrschen. Hausarbeit nimmt außerdem mitunter den größten Anteil an unbezahlter Care-Arbeit ein und wird, wer hätte es gedacht, auch fast auschließlich von Frauen übernommen [2]. 
 
Nun könnte angemerkt werden, dass Studierende, die im Bereich der Care-Arbeit beschäftigt sind, aktuell einen großen Vorteil gegenüber ihren Mitstudierenden genießen: Schließlich sind aufgrund der Coronapandemie zahlreiche Nebenjobs weggebrochen und ein großer Teil der Studierenden steht vor einer (noch verschärften) finanziellen Notlage [3]. Dies betrifft allerdings nicht Studierende, die bezahlte Care-Arbeit leisten. Sei es mit einer vor dem Studium abgeschlossenen Berufsausbildung, einem Bachelorabschluss oder ehremamtlich. Ist das nicht super? Ihr seid systemrelevant und quasi grade unkündbar! Seid doch froh über so ein wichtiges Arbeitsverhältnis, ihr seid wichtig für unsere Gesellschaft!
Das mag alles richtig sein, aber: In der Care-Arbeit steigt der Arbeitsaufwand in dieser Krise stark an. Kolleg*innen werden krank, auch ganz ohne Corona, müssen in Quarantäne. Die sowieso schon bröckelden Dienstpläne sind kaum mehr aufrecht zu erhalten. Überstunden steigen unaufhaltsam, an abfeiern ist überhaupt nicht zu denken. Die Sorgen der Klient*innen wachsen, gewohnte Arbeitsabläufe sind nicht mehr tragbar. Mehrbelastungen und Unsicherheit in allen Breichen. Bonuszahlungen bleiben aus oder erfolgen eher im Umfang eines feuchten Händerdrucks. Arbeitgeber*innen sparen an Schutzmaßnahmen aber schicken Briefe an die Belegschaft, in denen ihnen "von ganzem Herzen" gedank wird, dass sie trotz der Krise rentabel bleiben. Und ganz voran das hohe Risiko der Ansteckung mit dem Coronavirus. Care-Arbeit geht nicht im Homeoffice! 
Mensch kommt nun nach einem belastenden Dienst wieder nach Hause und es geht mit der Onlinelehre und unbezahlter Carearbeit weiter. Wenig Ablenkung und Ausgleich, begrenzte Möglichkeiten, Erfahrungen und Situationen mit Freund*innen, Kolleg*innen im privaten Raum und/oder mit der Familie auszutauschen, keine gesellschaftliche Wertschätzung, hohle Phrasen und Versprechungen der Politik aber Klatschen vom Balkon. 
Dass alle Lohnarbeitsverhältnisse, die mit abschgelossenen Studiengängen oder Ausbildungen in der Care-Arbeit außerhalb der leitenden Positionen prekär bezahlt und auch vorrangig von Frauen* ausgeübt werden, ist zudem auch kein Geheimnis. Ganz unabhängig von der Pandemie zeigen sich hier die strukturellen Probleme rund um das gesellschaftliche Verständnis und die fehlende Wertschätzung von Care-Arbeit. 
 
Sorgearbeit muss endlich als essentieller Bestandteil unserer Gesellschaft begriffen und vor allem umgesetzt werden. Sie darf nicht individualisiert werden, da es so unmöglich ist, vor allem sexistische Ungleichheitsmechanismen auszuhebeln und zu bekämpfen. Care-Arbeit muss weg vom Bild der "Frauenarbeit": die seelige Schwester, die die Kranken und Hilflosen pflegt, die kümmernde Frau*, die die Kinder aufzieht und die Familie versorgt. Wenn so ein Bild in unserer Gesellschaft bestehen bleibt, ist es eben nicht möglich, Sorgearbeit als Aufgabe der gesamten Gesellschaft anzusehen und nicht als Aufgabe von Frauen*. 
 
Deshalb: Frauen voran für ein besseres Leben für alle! Solidarität mit pflegenden Menschen! Kohle statt Klatschen! Solidarität mit dem Frauenstreik in Osnabrück und Weltweit!