Umfrage zur allgemeinen Situation der Student*innen an der Universität Osnabrück während der Corona-Krise

Im folgenden veröffentlichten Bericht, werden die Ergebnisse einer Online-Umfrage vorgestellt, die der AStA der Universität Osnabrück vom 26. Mai 2020 bis 11. Juni 2020 durchgeführt hat. Anlass der Befragung war die durch die Corona-Pandemie veränderte Situation der Student*innen an der Universität Osnabrück wie auch deutschlandweit. Insgesamt ist festzuhalten, dass die Situation der Student*innen sich im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie deutlich verschlechtert hat. Student*innen haben mehr mit persönlichen und finanziellen Sorgen zu kämpfen und die Qualität der Lehre hat deutlich nachgelassen. 
 
Die Resultate der Umfrage zeigen: Bei den Problemen, mit denen sich Student*innen wieder und wieder an den AStA richteten und richten, handelt es sich keinesfalls um “Einzelfälle” wie häufig seitens der Universität behauptet; vielmehr sind sie Instanzen struktureller Probleme, die teilweise aus der aktuellen Situation heraus entstehen, teilweise aber auch “nur” von ihr verschärft werden. Wir fordern daher die Universitätsleitung, die Dozent*innen der Universität Osnabrück und das niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur ausdrücklich dazu auf, diese Probleme ernst zu nehmen und im Dialog mit Student*innen Lösungen zu finden!
 
Die finanzielle Situation von Student*innen ist kritisch: gerade in der Corona-Pandemie, in der zahlreiche Student*innen ihre Einkommensquelle verloren haben, sind viele aufgrund von finanzieller Engpässe mit Existenzängsten konfrontiert. Die Überbrückungshilfe des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), die seit Juni beantragt werden kann, ist absolut unzureichend, die Antragstellung viel zu bürokratisch und sie kam viel zu spät. Um echte finanzielle Sicherheit für Student*innen zu schaffen, muss das BAföG geöffnet und der Zugang zu ALG II ermöglicht werden. Da sowohl das BAföG als auch andere Möglichkeiten zur Studienfinanzierung (z.B. Stipendien) an die Regelstudienzeit gekoppelt sind, würde eine Verlängerung dieser um mindestens ein Semester enorme Abhilfe schaffen. In einigen anderen Bundesländern (Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg) wurde solch eine Verlängerung bereits beschlossen - eine einheitliche bundesweite Regelung ist unbedingt notwendig, damit Student*innen keine Nachteile entstehen. Wir fordern, dass das Land Niedersachsen ebenfalls eine pauschale Verlängerung der Regelstudienzeit umsetzt. Zusätzlich müssen gezahlte Langzeitstudiengebühren für das Sommersemester 2020 von der Universität Osnabrück pauschal und ohne Härtefallanträge zurückerstattet werden.
 
Einen weiteren großen Problembereich bildet die Lehre: die Anwesenheitspflicht bleibt an vielen Stellen trotz des digitalen Semesters weiter bestehen. Besonders negativ wirkt sich dies auf diejenigen Student*innen aus, die aufgrund von anfallender Sorgearbeit auch im Normalbetrieb, doch nun aufgrund des Wegfalls von Betreuungs- und Pflegeangeboten umso mehr, in ihrer Flexibilität eingeschränkt sind. Auch die Student*innen, deren psychisches Wohlbefinden durch die soziale Isolation angegriffen wird, werden durch den kontinuierlichen Leistungsdruck, der durch die Anwesenheitspflicht ausgeübt wird, besonders stark getroffen. Zudem geben 90 % der Befragten an, dass der Arbeitsaufwand im digitalen Semester im Vergleich zum vorherigen Semester gestiegen sei - mehr als 50 % geben sogar an, der Aufwand sei 'deutlich' oder 'sehr stark' gestiegen. Die Studiensituation verschlechtert sich also im Allgemeinen, doch am stärksten wirkt sich dies auf die Student*innen aus, die ohnehin schon unter erschwerten Bedingungen studieren. Bildungsungerechtigkeiten, die durch die vorhandenen strukturellen Probleme des Bildungssystems kontinuierlich reproduziert werden, dürfen sich durch die Corona-Pandemie nicht zusätzlich verschärfen.
 
Die Universitätsleitung fordern wir als AStA explizit dazu auf, sich (weiterhin) sowohl innerhalb unserer Universität als auch gegenüber dem niedersächsischen Wissenschaftsministerium aktiv für die Interessen der Student*innen einzusetzen. Es gibt sehr viele Student*innen, die sich in einer prekären sozialen sowie finanziellen Situation befinden; es ist dringend notwendig, ihre Probleme anzuerkennen und nicht weiterhin als ‘Einzelfälle’ abzutun und sich nicht mehr hinter höheren Entscheidungsträgern und (vermeintlichen) Sachzwängen zu verstecken. "Die Universität darf nicht länger die Augen vor den massiven Problemen, die viele Studierende betreffen, verschließen, sondern muss Defizite aktiv angehen und sich beim Wissenschaftsministerium für eine tragfähige Lösung zur Entlastung der Studierenden einsetzen", so Birte Spekker, Referentin für Hochschulpolitik im AStA.
 
Ein erfolgreicher Protest kann nur gelingen, wenn Student*innen und Lehrende sich zusammentun und gemeinsame Forderungen artikulieren, statt sich gegeneinander ausspielen zu lassen. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass ein großer Teil der Student*innen viel Verständnis für die Situation der Lehrenden hat⁠ - über die Hälfte der Befragten geben an, dass sie sich aktiv oder passiv an einem Streik von Lehrenden beteiligen würden. Das würde eine Möglichkeit darstellen, das Interesse an guter Bildung und besseren Arbeitsbedingungen für die Lehrenden durchzusetzen. 
 
"Zuletzt möchten wir den vielen Mitstudent*innen danken, die an unserer Umfrage teilgenommen haben! Natürlich möchten wir uns weiterhin euren Problemen annehmen und euch gegenüber Dozierenden und der Universität vertreten, aber in der aktuellen Situation sehen wir eine Vielzahl an Problemen, die nicht nur einzelne von euch betreffen und deshalb weniger individuelle Lösungen als allgemeine Regelungen und strukturelle Veränderungen erfordern.", meint Jonas Tholen, Referent für Soziales. Um der aus der Umfrage gewonnenen Kritik Gehör zu verschaffen und die Forderungen durchzusetzen, ist gemeinsame Organisation erforderlich. Über die Hälfte der Befragten hat angegeben, sich aktiv oder passiv an Bildungsprotesten beteiligen zu wollen - dieses Potential wollen wir als AStA nutzen, um gemeinsam mit der Breite der Studierendenschaft für mehr Bildungsgerechtigkeit und für eine solidarische Universität einzustehen!
 
Daher rufen wir alle Student*innen und auch die Lehrenden dazu auf, sich unseren Protesten anzuschließen! Die erste Gelegenheit dafür ist schon am kommenden Samstag, dem 18. Juli, um 15:00 Uhr im Schlossgarten.
 
Hier der vollständige Aufruf für den 18. Juli.