Präsenzprüfungen während der Pandemie?!

Während der Lockdown wieder verschärft wird, Schulen und Kitas geschlossen bleiben und Unternehmen bundesweit dazu verpflichtet werden, wo immer möglich Homeoffice Möglichkeiten zu schaffen, besteht die Hochschule Osnabrück auf ihre Präsenzprüfungen. Am 18. Januar veröffentlichte die Hasepost den Artikel "Bildungsdauer nicht weiter verlängern: Präsenzklausuren an der Hochschule Osnabrück trotz Corona" [1], zu dem wir im Folgenden Stellung beziehen.
 
Die Situation an der Hochschule
 
Die Hochschule Osnabrück hat sich dazu entschieden, Klausuren trotz der Corona-Pandemie in Präsenz abzuhalten. Alternative Online-Klausuren werde es nur für diejenigen geben, die "sich in Quarantäne befinden, zur Risikogruppe gehören, in einem Haushalt mit Risikopatienten wohnen oder in einem Gebiet leben, in dem die 7-Tage-Inzidenz über 200 steigt" [1]. 
 
In Anbetracht des aktuellen Infektionsgeschehens halten wir es für unverantwortlich, Studierende – auch wenn sie selbst und die Mitglieder ihres Haushaltes nicht zu einer Risikogruppe gehören – zur Präsenz zu verpflichten. Um Menschen aus Risikogruppen tatsächlich zu schützen, müssen Infektionsketten schließlich überall unterbrochen werden. Eine womöglich lange Anreise zurück nach Osnabrück [2] und die Klausuren selbst laufen diesem Ziel schlichtweg entgegen. Hygienemaßnahmen können zwar Abhilfe schaffen, das Infektionsrisiko verschwindet allerdings nicht. Hinzu kommt, dass die Hochschule zwar die Nutzung der im Vergleich sichereren – und weitaus teureren – FFP-2-Masken empfielt, allerdings nirgends die Rede davon ist, diese auch für die Studierenden zu stellen. Wie viele der Prüfungsteilnehmenden daher wirklich FFP-2-Masken nutzen werden, ist also unklar – ganz abgesehen davon, dass es bei dem (aufgrund der neuen Beschlüsse) steigenden Gebrauch im nicht-medizinischen Bereich zu Engpässen kommen könnte. Auch ist die finanzielle Situation der Studierenden stark von der Corona Pandemie betroffen, viele haben ihre Nebenjobs (z. B. in der Gastronomie) verloren, und sich mal eben mit FFP-2-Masken für die gesamte Klausurenphase einzudecken, ist daher finanziell in vielen Fällen einfach nicht leistbar. Selbiges gilt für den Vorschlag, Studierende, die ihre Wohnung in Osnabrück im Zuge der Pandemie aufgegeben haben, sollten doch Hotelübernachtungen buchen. Es ist davon auszugehen, dass Studierende statt viel Geld für mehrere Übernachtungen – denn es werden ja in vielen Fällen auch an mehr als nur einem Tag Klausuren geschrieben – in einem Hotel auszugeben, eben doch eher auf der Couch von Mitstudierenden verbleiben werden; auch hier wird es also zu vermehrten Kontakten kommen, die die Hochschule mit ihrer Strategie letztlich mitzuverantworten hat.
 
Der Titel des Artikels könnte zu der Annahme verleiten, dass eine (weitere) Studienverlängerung nur durch das Beibehalten von Präsenzprüfungen abgewendet werden könnte. Gerade in Anbetracht des hohen Anteils an (niedersächsischen) Studierenden, die ihr Studium aufgrund der Pandemie (und damit einhergehenden Veränderungen in Lehrqualität und Arbeitsaufwand) bereits verlängern mussten [3], ist eine Vermeidung weiterer Studienverlängerungen natürlich essenziell. Dafür bedarf es allerdings keiner Präsenzklausuren! Solange Prüfungen überhaupt abgenommen werden, macht es für Studienverlängerungen keinen Unterschied, welche Form diese haben: ob es sich also um Präsenzklausuren, Onlineklausuren, (online abgenommene) mündliche Prüfungen, Hausarbeiten oder Projektarbeiten handelt. Das einzig Wichtige in diesem Zusammenhang ist, dass die Prüfungen nicht verschoben werden und den Studierenden Planungssicherheit bezüglich ihrer Prüfungen geboten wird. Für die Konzeptionalisierung und Planung von alternativen Prüfungsformen hatte die Hochschule inzwischen fast zwei Semester Zeit. 
 
Der Pressesprecher der Hochschule, Ralf Garten, erwidert solchen Überlegungen, dass Onlineklausuren sich "nicht für jedes Fach und jeden Fachbereich" [1] anböten. Zum einen könnten wir nun natürlich auch auf viele andere Prüfungsformate verweisen, die eben keine Präsenz benötigen. Zum anderen ist diese Aussage aber auch im Hinblick darauf sehr verwunderlich, dass für die oben genannte Gruppe ja in jedem Fall eine Online-Alternative angeboten werden muss. Nutzt die Hochschule also prinzipiell ungeeignete Prüfungsformate für Studierende, die beispielsweise aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe nicht an der Präsenzklausur teilnehmen können? Oder handelt es sich hierbei um eine vorgeschobene Erklärung, um die im Artikel vorangegangene und unserer Meinung nach sehr berechtigte Kritik anonymer Studierender in den Augen der Öffentlichkeit zu delegitimieren? 
 
In jedem Fall bleibt Kritik an der Prüfungsstrategie der Hochschule. Dass diese nicht vom Hochschul-AStA selbst geäußert und stattdessen "Zuspruch für das Verfahren der Hochschule Osnabrück" [1] ausgedrückt wird, ist für uns unverständlich. An anderer Stelle [4] haben wir vor einigen Wochen bereits von der Pflicht der Studierendenvertretung gesprochen, für studentische Interessen zu streiten und dies insbesondere auch mit der Leitung der jeweiligen Hochschule oder Universität zu tun. Vielleicht mögen sich die Angehörigen des Hochschul-AStA an dieser Stelle noch einmal daran erinnern. 
 
Die Situation an der Universität Osnabrück
 
An der Universität ist und bleibt das Motto "niemand darf Nachteile dadurch erfahren, nicht in Präsenz teilnehmen zu können oder wollen". Diesen Grundsatz unterstützen wir aus oben genannten Gründen vollständig. Unserer Meinung nach folgt daraus aber eben auch, dass für alle Präsenzprüfungen Online-Alternativen angeboten werden müssen, wenn schon nicht gänzlich auf digitale Prüfungsformate umgestiegen wird. Wir erwarten von der Universitätsleitung eine entsprechende, klare Positionierung und eine deutliche Kommunikation an die Dozierenden. Nur so werden Studierenden auch wirklich keine Nachteile entstehen, wenn sie – aus welchen Gründen auch immer – nicht in Präsenz am Prüfungs- und Lehrbetrieb teilnehmen können oder wollen.
 
Zuletzt möchten wir noch einmal an unsere Studierenden appellieren: Sollte in einer eurer Veranstaltungen keine Alternative zu einer Präsenzprüfung angeboten werden, meldet euch bei uns! Gerne sprechen wir mit den entsprechenden Dozierenden und suchen gemeinsam nach Lösungen, damit niemand sich dem mit Präsenzklausuren einhergehenden Infektionsrisiko stellen muss. Schreibt in einem solchen Fall am Besten direkt eine Mail an unser Referat für Studium und Lehre: astasl@uos.de
 
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[2] Die Empfehlung der Hochschule, für die Anreise doch ein Fahrrad oder Auto zu nutzen, wird von vielen Studierenden, die sich momentan nicht in Osnabrück aufhalten, auch keine Option sein. Schließlich werden längst nicht alle ein eigenes Auto zur Verfügung haben.
[3] Hierbei handelt es sich um Erkenntnisse, die sowohl in unseren Studierendenbefragungen als auch in der Befragung der LandesAStenKonferenz gewonnen wurden. 
Die Ergebnisse unserer Umfrage aus diesem Wintersemester werden in den nächsten Wochen veröffentlicht! Die Ergebnisse der Befragung der LandesAStenKonferenz findet ihr hier: https://www.lak-niedersachsen.de/2020/09/ergebnisse-der-landesweiten-umfrage/Entsprechende Einsichten in die Situation an der Hochschule Osnabrück stehen nicht zur Verfügung, da die Ergebnisse des vom Hochschul-AStA durchgeführten Umfrage (noch) nicht veröffentlicht wurden.